Montag, Februar 22, 2010

Vom Scheitern

Das Scheitern, das Versagen übt auf mich eine sehr starke Faszination aus. Ja, ich bin geradezu begeistert von der Art und Weise wie es uns unserer inneren und äußeren Grenzen ermahnt. Belanglos aber scheint mir diese Form des Scheiterns, die uns durch Sozialisation mitgegeben wird. Die Vokabel "gescheiterte Existenz", die letztlich nur die Inkompatibilität eines Individuums mit den Gesetzen und Regeln einer leistungsorientierten, kapitalistischen Gesellschaft meint, rückt das echte Scheitern und das Versagen in eine zwielichtige Ecke. Das Scheitern verkommt von "aus tiefstem Herzen, aus tiefster Seele gewollt, aber nicht erreicht" zu "nicht genug gewollt", "nicht genug Mühe gegeben".

Trial and Error und zyklische Entwicklung weichen der Gigalomanie: Wachstum, Wachstum! - Herbst und Winter werden wegrationalisiert. Aber da war er doch: der Winter, über den sich die ganze Nation ausweint. Und das inmitten der globalen Erwärmung. Die Polkappen schmelzen und auf der Elbe geht man spazieren. Die Natur kann man nicht verarschen, Menschen schon. Was widerrum zeigt, wie weit wir uns scheinbar von unserer eigenen Natur entfernt haben.

Der "Leistungsträger" als Prototyp der neuen Herrenrasse. Jung, dynamisch und facegeliftet. Der Prophet eines misantropischen sich selbst zerstörenden Systems. Mir schleierhaft, wer folgende Frage mit einem klaren "Ja" beantwortet: "Will ich wirklich SO leben?". Selbst diese Frage krankt schon an meiner eigenen Internalisation. "Wollen WIR wirklich SO leben?" müsste sie eigentlich lauten und dass zunächst die erste Formulierung in den Kopf kommt, zeigt schon wie tief sich das Schweinesystem im eigenen Hirn manifestiert hat.

Ein Leben, eine echte Existenz zu skizzieren, die zumindest im Ansatz auf Alternativen hinweist, dies soll unsere und in zweiter Linie auch meine Sache sein. Da man kein Haus vom Dach aus bauen kann, werfe ich das Scheitern in die Diskussion. Scheitern und Versagen sollten in ihrer existentiellen Tiefe gelebt und ausgelebt werden. Nicht nur als legitimer, sondern als notwendiger Bestandteil des zyklischen Gesamtprozesses namens "Leben".

Liebe, Frieden und den ganzen Scheiß!
jansalleine

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